Schwarzer Tag für den deutschen Rundfunk?

Eine Pressemeldung an o.g. Datum könnte einen Dominoeffekt ausgelöst haben, der in absehbarer Zeit für ein düsteres Szenario in der deutschen Rundfunklandschaft sorgt. Die private RTL-Group stellt zum 31. Dezember 2014 die Verbreitung ihrer Fernsehprogrammme über den terrestrischen Hauptempfangsweg "DVB-T" komplett ein. Die bis dahin laufenden Ausstrahlungsverträge werden nicht mehr verlängert. Erstmals ziehen damit nicht mehr alle TV-Anstalten an einem bisher gemeinsamen
Übertragungsstrang.

In Erwartung, daß sich die konkurrierende ProsiebenSat1-Gruppe dem Vorhaben ebenfalls anschließt, sind ab dem 1. Januar 2015 deutschlandweit nur noch bis zu 12 öffentlich-rechtliche Programme und allenfalls noch 4 unabhängige private Fernsehspartenkanäle zu empfangen. Alle kommerziellen Zugpferde fehlen. Der Antennenempfang wird, was die programmliche Auswahl betrifft, so gut wie um 30 Jahre zurückgeworfen. Nur dank der inzwischen vollzogenen Digitalisierung fällt das Ergebnis nicht ganz so extrem aus. Man darf hier durchaus vom Kollaps des dualen Rundfunksystems auf der terrestrischen Verbreitungsebene mit weitreichenden Konsequenzen für den Verbraucher sprechen.

Wer dann auf seine gewohnte, werbefinanzierte Lieblingssendung nicht verzichten will, muß auf einen anderen Zugangsweg umsteigen. Erwartungsgemäß wird die "DVB-T"-Nutzung deutlich schrumpfen. Mit dem kostenlosen Empfang ist es dort, wo mietvertraglich keine Satellitenschüssel installiert werden darf, endgültig vorbei. Die monopolistischen Kabelgesellschaften dürfte der zusätzliche Profit erfreuen, ebenso die IPTV-Anbieter.

Folgen:

Wenn die kommerzielle Seite fehlt, haben alle öffentlich-rechtlichen Anstalten deren anteiligen Kosten für die Broadcast-Infrastruktur (Senderstandorte, Masten, Türme etc.) mit zu übernehmen. Den Funkhäusern stellt sich die Frage, ob die klassische terrestrische TV-Ausstrahlung überhaupt noch wirtschaftlich ist. Die Kommission für die Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten (KEF) muß mittelfristig darüber eine Entscheidung treffen. Der Technikdienstleister Media Broadcast kann unter Umständen in arge Schwierigkeiten geraten, wenn wirklich der Sendebetrieb der ARD insgesamt zu verkleinern ist. Auch Auswirkungen auf den Hörfunkbereich durch Abschaltungen wären letztlich denkbar.

Was im schlimmsten Fall übrig bliebe, wären massenhaft nutzlose stationäre, mobile und portable Empfangsgeräte. In vielen Haushalten stehen mehrere Fernseher, die weder einen eigenen Satellitenempfänger haben noch an das Kabel angeschlossen sind. Etwa 1 Mio. Kraftfahrzeuge sind in Deutschland derzeit mit "DVB-T"-Empfang ausgestattet. Etwa 5,6 Mio. USB-Sticks o.ä. für PCs und Laptops wurden verkauft.

Ausblick:

Angesichts des erkennbaren Elektroschrotts, sollten die Landesmedienanstalten schleunigst ein Konzept erarbeiten, daß dem Verbraucher einen Nutzungsersatz ermöglicht. Endlich böte sich dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk die Chance, seine ganze Vielfalt darzustellen. Anstatt abzuschalten, sollten die freiwerdenden Kanäle mit dem restlichen Angebot an Fernsehprogrammen von ARD und ZDF neu belegt werden, die bisher aus Platzmangel fehlen (in NRW: EinsPlus, Tagesschau24, ZDFkultur). Schließlich zahlt jede Betriebsstätte ihren Rundfunkbeitrag für den Anspruch auf ein zulieferkostenfreies Komplettangebot. Was spräche in diesem Zusammenhang dagegen, den Hörfunksatellitentransponder zumindest in Teilen auf "DVB-T" aufzuschalten? Mit dem Deutschlandradio und mit denjenigen ARD- Anstalten, deren regionale Fernsehprogramme man überträgt. Alle "DVB-T"-Receiver besitzen diese bisher (außer in unserer Hauptstadt Berlin) nicht angewandte Radiofunktion.

Es wäre töricht, das "Überallfernsehen" ganz fallen zu lassen. Niemand weiß, wie lange ein frei empfangbares Satellitensignal (insbesondere der Privatsender) noch zur Verfügung steht? Was geschieht, wenn z.B. ein ausländischer Inhaber exklusiver Rechte die Ausstrahlung einer Sportübertragung untersagt?
Die Zeit des uneingeschränkt verfügbaren Kommerzfernsehens scheint abzulaufen. In Zukunft werden wir alle diesen Teil unseres gewohnten Fernsehkonsums wohl nur noch als gläserner Kunde über irgendeine Plattform dazubuchen können.