Die Geschichte unserer Region - Teil 1

Der Ursprung

Alle Völker des antiken Europas sind Nachfahren der Indogermanen. Wir nennen sie so, weil die westliche Ausdehnungsgrenze in Europa, die östliche in Indien liegt. Warum sich territorial so weit voneinander entfernte Völker sprachlich so ähnlich entwickeln ist noch ungeklärt. Die wahrscheinlichste Theorie geht davon aus, daß um 3000 v. Chr. in den Steppen Kasachstans und der Ukraine Stämme leben, deren Sprache eng beisammen liegt.

Mit der Zeit geraten die Völker in Bewegung, wohl aufgrund von Veränderungen in ihren Lebensbedingungen. Sie verdrängen ihre Nachbarn, die daraufhin wiederum ihre verdrängen. So wird ein immer größer werdendes Gebiet mit eng verwandten Stämmen besiedelt. Sie kämpfen mit den Einheimischen, verbünden und vermischen sich aber auch mit ihnen. Innerhalb einer Zeitspanne von 2000 Jahren reicht das Gebiet, das diese sprachlich und kulturell verwandten Völker bewohnen, vom Indus bis nach Irland.

 

Die Zeit der Germanen

Die konket überlieferte Geschichte unserer Region beginnt bei den Germanen. Sie entwickeln sich aus indogermanischen Stämmen, die sich am Westrand der Ostsee niederlassen und sich durch Verdrängen der Kelten zwischen Rhein und Weichsel bis zu den Alpen ausbreiten. Nach der "Germania", einer antiken Niederschrift des römischen Historikers Tacitus gibt es drei Hauptstämme: Ingwäonen, Herminonen und Istwäonen. Einem Mythos zufolge hat der erdentsprossene Gott "Tuisto" einen Sohn "Mannus" gezeugt, den Urvater. Dessen Söhne Ing, Irmin und Istvo geben den Hauptstämmen ihren Namen.

Woher der Name "Germanen" stammt, ist bis heute nicht geklärt. Vermutlich leitet er sich vom lateinischen "Germani" (Ger = Wurfspieß, Manibus = Hand) ab, denn den Römern sticht bei dem Kontakt mit den von ihnen so bezeichneten Menschen besonders die enge Waffenbrüderschaft ins Auge. Die einzelnen Stämme streben untereinander keine größere Verbindung an, weswegen ein Sammelname für sie kaum erstrebenswert ist. Ihre keltischen Nachbarn am anderen Ufer des Rheins beschreiben sie nur als "im Norden und Osten wohnende Stämme" und verallgemeinern die Bezeichnung "Germanen" auf die gesamte dort siedelnde Bevölkerung. Die Germanen selbst verwenden hingegen für sich nur die Namen der einzelnen Volksgruppen und verstehen sich auch nicht als Einheit. Ihre Geschiche ist immer die ihres individuellen Volksstammes und dessen familiären Sippen.

Germanische Sippen leben in lockeren, dorfähnlichen Siedlungen, die aus einzelnen verstreut liegenden Gehöften bestehen, denen ein "Häuptling" vorsteht. Sie unterscheiden sich dadurch deutlich von unseren heutigen, dicht bebauten Dörfern. Zu einem germanischen Hof gehört das Wohnstallhaus mit langrechteckigem Grundriss, in dem Mensch und Tier in streng abgetrennten Bereichen untergebracht sind, sowie verschiedene Speicher und Nebengebäude. In direkter Nähe befinden sich das bewirtschaftete Ackerland, die Streu- und Winterfutterflächen und der als Nah- und Nachtweide genutzte Hofwald. Tagsüber weidet das Vieh weiter entfernt am Waldrand.

 

Germanen und Römer

Am Nordrand des Mittelgebirges siedelt der vergleichsweise kleine Volksstamm der Marser, westlich von ihnen sind die Sugambrer, nördlich die Brukterer, östlich die Cherusker und südlich die Chatten.

Die Bezeichnung "Marser" für diesen Germanenstamm ist lateinischer Herkunft. Vielleicht kann man aufgrund dessen sogar eine Verbindung herleiten zum römischen Kriegsgott Mars, der die Gewalt, Streitlust und Durchsetzungskraft verkörpert, andererseits auch mutig und kraftvoll macht. Mit Sicherheit gehören die Marser zu den ersten für sie unbekannten Stämmen auf die die Römer in Germanien treffen.

Der römische Heerführer Drusus bezwingt ab 12 v. Chr. alle germanischen Stämme bis zur Elbe und unterwirft sie dem Imperium Romanum. Zahlreiche Lager, die besonders entlang der Flüsse als schnellstem Transportweg der damaligen Zeit entstehen, sorgen für den Nachschub. Bei der heutigen Stadt Bergkamen besteht sogar das größte bisher entdeckte Römerlager nördlich der Alpen.

Die Römer führen eine totalitäre Herrschaft mit rücksichtsloser Brutalität. Selbst Massenkreuzigungen sind an der Tagesordnung. Bis es dem Cheruskerfürsten "Arminius" gelingt, genügend Unzufriedene um sich zu sammeln und Nachbarstämme zur Gegenwehr eint. Am Aufstand gegen die Okkupanten und an der Varusschlacht im Jahre 9 n. Chr. beteiligen sich auch die Marser. Sie werden vornehmlich nur in Schriften erwähnt, die sich mit den römischen Rachefeldzügen des Jahres 14 n. Chr. befassen. Die ahnungslosen Germanen, die gerade in ihren Dörfern ein Fest feiern und zu betrunken sind, um auf diesen Überraschungsangriff reagieren zu können, werden, ob Mann oder Frau, ob jung oder alt, niedergemetzelt. Nicht nur ihr zentrales Heiligtum der Göttin Tanfana in der Nähe der Ems, zu deren Ehren sie bei herbstlicher Tagundnachtgleiche feiern, wird mit Feuer und Schwert von der militärischen Übermacht verwüstet, sondern auch ein Gebiet von etwa 50 römischen Meilen (= 74 km).

Nicht allein wegen dieser Blutbäder mit Ausrottungscharakter binden sich die sonst untereinander oft auch zerstrittenen Germanenstämme enger zusammen. Deshalb bringt der letzte Feldzug außer der Rache keine gewünschten weiteren Erfolge mehr und die Römer geben Germanien auf.

 

Der Stamm der Sachsen

Die Sachsen, ein zunächst einzelner Stamm der Ingwäonen (Nordseegermanen), vergrößern ab dem 2. Jh. ihre gemeinschaftliche Organisation aus verschiedenen Stammesgruppen immer weiter bis hin zum Großstamm.

Nach einer Sage der Sachsen sind diese, von den Franken als Verbündete gegen die Thüringer angeworben, aus Britannien gekommen und zuerst in Hadeln in der nördlichen Spitze des Elbe-Weser-Dreiecks (wo heute die Stadt Cuxhaven liegt) gelandet. Von dieser Wiege des Stammes aus habe sich das sächsische Volk nach Süden ausgebreitet. Tätsächlich gibt es bei Stade einen Ort Namens Harsefeld, der im Mittelalter auch Rosenfeld genannt wurde. Damit sind nicht Rosen, sondern Rosse gemeint, so daß es die gleiche Bedeutung wie Horsa (= engl. horse) hat. In Harsefeld besteht laut einer Chronik ein heidnisches Heiligtum, vermutlich ein Pferdehain. Wir finden diesen Ortsbegriff später auch mit Harsewinkel im östlichen Münsterland wieder.

In den darauffolgenden Jahrhunderten erobern sächsische Stämme weitere Teile Norddeutschlands und gliedern die dort lebenden Sippen ihrem Verband ein. Im 6. und 7. Jh. auch das Land der Brukterer bis zur Lippe und darüberhinaus. Später unterscheiden sich im gesamten Stammesgebiet vom Ijsselmeer bis zur Elbe und nördlich bis zur Eider die drei großen Teilheerschaften Westfalen, Engern und Ostfalen.

Die Stammesbezeichnung leiten die antiken Autoren, die den Begriff aufbrachten, vom typischen Hiebmesser der Sachsen, dem "Sax" ab. Dies spielt in einer Sage mehrfach eine Rolle. Einem sächsischen Taufgelöbnis zufolge gab es neben den gemeingermanischen Göttern Wodan und Donar auch den Gott "Saxnot". Im Altsächsischen bezeichnen sich die Sachsen selbst als "Sahso".

Von der Völkerwanderung kaum berührt, bewahren die Sachsen, trotz Bedrängnis durch Franken und Slawen, noch lange ihre alte germanische Tradition. Nie haben sie sich unterordnen müssen. Es gibt keine Person oder Familie in deren Händen dauerhaft die Führung des ganzen Stammes liegt. Sie schaffen sich eine stabile Verfassung mit jährlichen zentralen Versammlungen in Marklo an der Weser und den Things, bei denen politische und rechtliche Angelegenheiten ausdiskutiert werden. Hierfür werden Stammesälteste bestimmt, die einzig die Interessen Ihres gesamten Stammes vertreten, nicht nur die der eigenen Dorfgemeinschaft. Lediglich in den Kriegszeiten unterstellen sich die Sachsen der Führung eines "Herzogs" (= lat. dux belli), welcher ein angesehener Krieger ist und vom Volk gewählt wird. Noch dient er dem alleinigen Zweck, nur "vor dem Heer herzuziehen".

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