In NRW wird noch rundfunkpolitisch taktiert
Anfang März (02.03.12) werden im Rhein-Main-Gebiet die letzten Sendeanlagen des nationalen Ensembles auf den bundeseinheitlichen Frequenzblock 5C umgestellt. Danach beginnt der Aufbau ergänzender Austrahlungsstandorte u.a. in Osnabrück und in Bielefeld. Um NRW herum tut sich etwas. Nur an Rhein und Ruhr scheinen die Uhren still zu stehen. Der WDR in Köln ist immer noch nicht in der Lage, sein leistungsstarkes Sendernetz in Betrieb zu nehmen und dümpelt stattdessen auf lokalen DAB-Funzeln vor sich hin. Untauglich für ein als störungsfrei propagiertes Mobilmedium.
Während andere ARD-Anstalten auf den Zug Digitalradio bereits aufspringen und Empfangsgeräte verlosen, scheint dieses Thema beim WDR sogar tabuisiert zu werden. Das Verkehrsmeldungsservice "VeRa", zur Rush-Hour über die Mittelwelle 720 kHz empfangbar, wird digital 24 Stunden ausgestrahlt. Fußball-Übertragungen und Landtagsdebatten gibt es in bester Qualität auf WDR Event. Einen Hinweis auf DAB bekommt der UKW-Hörer in der Regel nicht.
Warum ist das so?
Aufgrund der besonderen organisatorischen Strukturen in NRW sieht sich das private Standbein unseres dualen Rundfunksystems, die Lokalradios, finanziell außerstande, sich am Digitalradio zu beteiligen. Für DAB braucht es Radioangebote, die in der Fläche zumindest den Ausbreitungsgebieten der WDR-Landesstudios entsprächen. Ansonsten müssten mehrere Lokalradios gemeinsam das gleiche Regionalensemble nutzen. Das notwendige Alleinstellungsmerkmal ginge damit verloren und gegenseitige Konkurrenz ist nicht erwünscht.
Sollte andererseits der WDR mit allen Programmen über DAB+ zu empfangen sein, wäre bereits das gesamte für NRW bestimmte Angebotsspektrum der Ultrakurzwelle (außer den Lokalradios) auf dem fortschrittlicheren Wellenbereich abgebildet. Ein begeisterter Digitalhörer könnte durchaus dazu neigen, nicht mehr umzuschalten. Privatanbieter senden schließlich auch im bundesweiten Ensemble. Einbrüche der Hörerzahlen bei der auf Werbeeinnahmen angewiesenen Lokalebene wären nicht auszuschließen. Das ist nicht im Sinne profitorientierter Betreiber.
Diese Thesen werden dadurch noch untermauert, daß derzeit an einem exklusiv analogen und privaten UKW-Jugendradio gebastelt wird, welches junge Leute von Energy, KissFM, Sunshine Live oder Radio Bob fernzuhalten beabsichtigt. Das NRW-Verlegermonopol im Print- und Radiobereich sorgt sich offensichtlich um seine Pfründe. Kein Geschäftsmann reagiert derart auf ein neues System, wenn er von seinem bisherigen Produkt wirklich überzeugt ist.
Wer schadet da wem?
Eigentlich geht es doch nur um die digitale Radionutzung im mobilen Bereich, mit Kofferradios oder im Auto unterwegs. Daheim kann jeder Teilnehmer über Satellit, Kabel oder Internet die Programmvielfalt genießen. Und das nicht erst seit gestern. Hat diese vorhandene Konkurrenzsituation bisher dem Rundfunk in NRW geschadet? Glaubt man der halbjährlich veröffentlichten Medienanalyse, dann wohl eher nicht. Ganz im Gegenteil: Die Hörfunknutzung nimmt wieder zu, wenn auch auf anderen Verbreitungswegen und in neuen Modi.
Ergo wird hier ein prinzipienbegründetes Theaterstück wegen ein paar zusätzlich terrestrisch auszustrahlenden Programmen aus einem schon jedermann vertrauten Gesamtangebot inszeniert, deren Existenz, egal wo, keine weitere Auswirkung auf den heimischen Markt mehr haben kann als gegenwärtig schon. Auch den mobilen Hauptnutzern, den Autofahrern, darf man ruhig etwas Mündigkeit bezüglich dieses Sachverhaltes zugestehen.