Die Sektion Bürgerfunk und ihre Geschichte

Der Bürgerfunk im Lokalradio

Etwa seit 1990 verbreiten in Nordrhein-Westfalen 46 lokale Radiostationen ihre Programme. Jede dieser Stationen ist laut Landesmediengesetz (LMG NRW) dazu verpflichtet, täglich eine Sendestunde als freie Sendefläche für selbstproduzierte Programmbeiträge von Bürgergruppen bereitzustellen. Diese freie Sendefläche wird als „Bürgerfunk“ bezeichnet. Die Teilnehmer, die diese Form der medialen Beteiligung nutzen, sind für die Produktion, die Form und den Inhalt ihrer Sendungen selbst verantwortlich. Die Beiträge müssen selbst hergestellt und eigenständig gestaltet werden.

Prinzipiell können alle Bürgerinnen und Bürger aus NRW den Bürgerfunk nutzen und dort ihre selbstgestalteten Beiträge ausstrahlen lassen. Gesetzlich vorgesehen ist jedoch die Mitwirkung von Gruppen, also Zweckgemeinschaften, die aus mindestens zwei Personen bestehen. Alle Mitglieder der Gruppen müssen voll geschäftsfähig sein und im Sendegebiet des Lokalradios wohnen. Ausgeschlossen sind Gruppen, deren Träger Mitglieder in ein Lokalradio-Aufsichtsgremium entsenden, Gruppen, die wirtschaftliche Zwecke verfolgen, sowie Parteien und deren Wählergruppen. Ebenso ausgeschlossen sind Eigenbeitäge von Kirchen, kommunalen Verwaltungen und sonstigen juristischen Personen des öffentlichen Lebens.

Grundsätzlich kann jeder selbstproduzierte Beitrag einer Gruppe gesendet werden. Die Beiträge dürfen keine Werbung enthalten und nicht gegen geltende Gesetze verstoßen. Der Bürgerfunk läßt darüberhinaus ausschließlich Sendungen mit deutlich erkennbarem lokalen Bezug und einem Mindestwortanteil in rein deutscher Sprache zu.

Die Verantwortlichen des Lokalradios überprüfen alle Beiträge auf Einhaltung der Vorgaben der Bürgerfunksatzung der Landesanstalt für Medien (LfM). Bei klaren Verstößen kann die Ausstrahlung verweigert werden.

In ganz NRW beraten sogenannte „Radiowerkstätten“ interessierte Bürgerinnen und Bürger dabei, ihre Themen und Anliegen mediengerecht zu gestalten. Sie unterstützen dies durch die Einrichtung von Produktionsstudios mit stets aktueller technischer Ausstattung, durch die Bereitstellung von Personal für die Betreuung, bis hin zur Anmeldung der Sendung beim Lokalradio.

 

Lokalfunk zum Mitmachen – ein Sprachrohr für den Bürger

Da der Verein Radio Unna e.V. nicht über die Befugnis zur Gründung einer weiteren Veranstaltergemeinschaft für den privaten Rundfunk nach dem Landesmediengesetz verfügt, bilden alle zugangsberechtigten Mitglieder der Sektion gemeinsam eine eigene Bürgerfunkgruppe in dem durch die LfM per Satzung festgelegten Verbreitungsgebiet des Kreises Unna. Der Verein beteiligt sich seit 1989 am Bürgerfunk in den Lokalradios in NRW, beginnend mit der Teilnahme am Förderprojekt „Vorproduktion“ der damaligen LfR (heute LfM) für den Sendestart im Kreis Unna. Bis heute bieten wir Produktionshilfe mit medienpädagogischem Hintergrund für alle Bürgerfunkgruppen und –interessierten im Rahmen einer Radiowerkstatt an. Angeschlossen ist ein Aufnahmestudio zur Vorproduktion, das auch als Selbstfahrstudio genutzt werden kann. Seit 2006 verfügt das Studio zudem über digitale Produktionsmöglichkeiten.

Bis Ende der 90er Jahre bestand eine enge Zusammenarbeit mit der Katholischen Medienwerkstatt Dortmund (KMW) im Bereich von Teilnehmerschulungen. Die angebotenen Seminare wurden teilweise sogar von ehemaligen Mitarbeitern des WDR-Landesstudios Dortmund wissensfundiert und praxisorientiert geleitet. Einmal im Monat traf sich mittwochs ein Teilnehmerkreis an der Rheinischen Strasse 170 zur „Radiorunde“. An dieser Stelle sei besonders der ehemalige Leiter der KMW, Michael Thiemeyer, erwähnt, der mit großem Engagement in der Sache, sowie viel organisatorischem und technischem Geschick dem Bürgerfunk im gesamten Bereich des Erzbistums Paderborn in jeder Hinsicht zur Seite stand. Viele eigenständige Bürgerfunkgruppen, auch ohne konfessionell katholische Bindung, wären ohne ihn heute nicht existent.

Seit der ersten Reform der finanziellen Fördersatzung für Bürgerfunkbeiträge, bei der es eigentlich nur um die solide finanzielle Ausstattung von trägerabhängigen Radiowerkstätten ging, arbeitet die Sektion Bürgerfunk auf Selbstkostenbasis. Der Verein hat bewußt auf die höchstförderungsbringende staatliche Anerkennung mit seinen abskrusen Richtlinien (das Anmieten von öffentlichen Räumlichkeiten, die Einrichtung in sich geschlossener Räume ohne Fremdzugang, das Vorweisen von nach Geschlechtern getrennten Toiletten) verzichtet, da unsere Tätigkeit, an den Satzungzweck gebunden, effektiv und kostengünstig zu sein hat.

Wie in allen Vereinen, gibt es auch bei Radio Unna e.V. ein stetes Kommen und Gehen von Produktionen und Produzenten. Folgende Sendungen aus 20 Jahren Bürgerfunk, die keine Einzelbeiträge waren, sollten an dieser Stelle genannt werden und in Erinnerung bleiben: Die Satiresendung „Bandsalat“ mit Jost Alpe und Michael Kessler, die Hitparade „Die grossen Acht“ mit Christoph Stahlschmidt, der „Feierabend“ mit Torsten Weißner, der „Billard-Express“ mit Gerda Haas, die „Selmer Funkstunde“ mit Leo Hennig, die Jugendsendung „Wilde 13“ mit Andre Gretenkort, Jan Theiler und Oliver Struckmann, die Sendung für Senioren „Die Blaue Stunde“ mit Jürgen Heideck und die Chart-Show „Donnerstag“ mit Jost Alpe.

Allen am Bürgerfunk Beteiligten sei auf diesem Weg für ihr Engagement und ihre ehrenamtlich geleistete Arbeit herzlich gedankt.

 

Einschneidende Änderung der Zugangskriterien

Die am 25. Mai 2007 vom Düsseldorfer Landtag verabschiedete Neufassung des Landesmediengesetzes (LMG) brachte für den Bürgerfunk existenzentscheidende Veränderungen. Besonders der eingeführte Funktionsauftrag mit seinen neuen Qualifikationsanforderungen läßt seit 01. Januar 2008 so manchen Beitrag durch das Raster der Zugangsberechtigung fallen. Soll doch diese erdachte Maßnahme zur Professionalität des Bürgerfunks führen, um mit entsprechender Gestaltung die Durchhörbarkeit des erlösoptimierten Lokalradio-Restprogramms zu erreichen.

Im neuen Gesetzestext ist deshalb ausdrücklich von der Eignung jeder einzelnen Bürgergruppe die Rede und nicht mehr von der bisher gültigen, unserer Erfahrung nach aber sinnvolleren Eignung einer produktionshilfeleistenden Radiowerkstatt. Mindestens drei Mitglieder einer produktionswilligen Gruppe müssen einen stets befristet gültigen Qualifikationsnachweis erbringen. Selbst ausgebildete Mitarbeiter sind laut neuem Förderkonzept zur Teilnahme verpflichtet. Gegen eine sogenannte Organisationspauschale oder Verwaltungsgebühr.

Wer sich seit Januar 2008 als Zweckgemeinschaft am Bürgerfunk in NRW beteiligen will, muss also ein "Eintrittsgeld" zum Erwerb einer Basiskompetenz für mindestens drei Personen seiner Wahl zahlen, ein vordefiniertes und auf mehreren Modulen basierendes Schulungsprogramm mit etwa 36 Unterrichtsstunden durchlaufen und dort alle verlangten Gesinnungsprüfungen bestehen, bevor er überhaupt an eine Beitragsproduktion denken kann. Ferner gibt es für jeden die Pflicht zur jährlichen Teilnahme an wiederum kostenpflichtigen Weiterbildungsseminaren. Anderenfalls erhält er keinen Zugang. Nur noch der Personenkreis mit bestandenen Prüfungen darf sich am Bürgerfunk beteiligen. Alle einzureichenden Beiträge müssen, laut einem Informationsschreiben und zusätzlichem, eigenen Zulassungskriterium des Lokalradios im Kreis Unna, gemeinsam von allen Qualifizierten einer teilnehmenden Gruppe programmprägend moderiert und gestaltet werden.

Die anschließende Ausstrahlung findet unter Ausschluß der breiten Öffentlichkeit, werktags von 21 bis 22 Uhr, samstags, sonn- und feiertags ab 19 Uhr, statt.

Der zu leistende Aufwand steht in keinem Verhältnis mehr zu irgendeinem Nutzen, weder auf Seiten der Produktion noch auf Seiten derer, die mit einem Anliegen an die Öffentlichkeit gehen möchten. Ob aus reinen rechtlichen, organisatorischen, journalistischen oder finanziellen Gründen, es ist leider kaum noch jemand bereit, sich an dieser Form des Bürgerfunks zu beteiligen.