Die Geschichte unserer Region - Teil 8

Handel und Wandel

Im Schutz und Auftrag von Klöstern, Pfalzen und Burgen oder an den Kreuzpunkten der Fernwege entstehen frühe Märkte. Hier können die wachsenden Überschüsse aus der Landwirtschaft und die Handwerkserzeugnisse getauscht oder verkauft werden. Die regelmäßige Abhaltung von Märkten führt vielerorts zur Ansiedlung von Gewerbe und Handwerkern. Fast alle größeren Kommunen des Mittelalters haben eine Befestigung rund herum. Oft ist dies ein einfacher, aus Holzpfählen, die in den Boden gerammt werden, bestehender Palisadenzaun, manchmal auch eine Steinmauer. Da "Fehden", die als erlaubtes Mittel bei Rechtsstreitigkeiten mit der landesherrschaftlichen Obrigkeit angesehen werden, den Handel bedrohen und dieser für die Stadtbewohner lebenswichtig ist, sollen "Marktrechtsgesetze" den Handel vor kriegerischen Auseinandersetzungen schützen. Wer an den geschützten Orten Gewalt anwendet, wird vom Erlasser des Marktrechts aufgegriffen und hart bestraft.

Nur der Kaiser oder oberhoheitliche Landesherr besitzt das Vorrecht ein Dorf oder eine Gemeinde mit Marktrechten auszustatten oder zur Stadt zu erheben, um dort damit bestimmte reichsorientierte Rechte in Kraft zu setzen. Im Gegensatz zu dem Landrecht, welches von der belehnten Territorialherrschaft selbst festgelegt wird.
Die Rechtspflege in der Grafschaft Mark ist bis ins 16. Jh. recht rückständig. Codex ist das "Benker Heiderecht", benannt nach einer alten Thingstätte bei Hamm. Der Richter wird zwar vom Volk selbst gewählt, ist aber ein Angestellter des "Drosten", der als eingesetzter Amtmann die Goverwaltung und damit auch die Rechtsgewalt innehat. Eine Trennung von Staat und Justiz kennt man nicht.

Die Gründung von Märkten und die Verleihung von Stadtrechten versprechen durch die damit verbundenen Abgaben reiche Einnahmen. Als Gegenleistung für das Erheben von Standgeldern, Zöllen und Gebühren für Maße und Gewichte sichern die Stadtherren den Händlern, Handwerkern und Marktbesuchern Schutz, freies Geleit und manch gutes Geschäft.
Das "Soester Stadtrecht" ist die erste nachweisliche Aufzeichnung im deutschen Raum, überliefert in Form der alten und neuen "Kuhhaut" ab 1226, benannt nach dem ursprünglichen Trägerstoff der Aufzeichnung, sowie der "Schrae" (gesprochen: Schrah), dem alten Stadtbuch. Es wird von vielen Städten in der Umgebung und als Vorlage sogar darüberhinaus mit Fernwirkung übernommen.
Der wachsende Reichtum und das Selbstbewusstsein des städtischen Bürgertums, sowie die zunehmende Geldnot des weltlichen und geistlichen Adels führt mit der Zeit zur Lösung der Städte aus der politischen Abhängigkeit ihres Landesherrn. Häufig nehmen die Städte die Marktpolitik selbst in die Hand. Die Markteinkünfte werden zur wesentlichen Stütze der städtischen Finanzwirtschaft.

Im Mittelalter arbeiten die Handwerker für einen lokalen und sehr begrenzten Markt. Die Spezialisierung nimmt durch den steigenden Bedarf an verschiedenen Waren und Dienstleistungen zu. Einzelne Gewerbe beginnen damit sich zu eigenen Genossenschaften, den sogenannten "Zünften" zusammenzuschließen, um Ziele besser verfolgen zu können. Dazu gehören ausreichende und gesicherte Einkünfte, Schutz vor Konkurrenz, Sicherheit im Alter, fachliche Anerkennung.
Um die wirtschaftlichen Interessen zu sichern, erschafft man Zunftordnungen, in denen feste Regelungen für den Beruf zusammengefaßt werden. Man will sicher gehen, daß alle die gleichen Chancen besitzen. Erreicht wird dies auch durch den Zunftzwang. Waren ohne Zunftstempel dürfen nicht in der Stadt verkauft werden. Des weiteren werden die Zulassung zu einem Beruf und die Ausbildung genau festgelegt, damit alle genug Arbeit haben. So können die Zünfte ihren Mitgliedern
eine marktbeherrschende Stellung sichern. Daß Handwerker einer Zunft oft eng beieinander wohnen, beweisen noch heute manche Straßennamen.
Die Lehrlinge und Gesellen leben in der Regel im Haushalt des Meisters. Lehrlinge erhalten im Allgemeinen nur Unterkunft und Verpflegung für ihre Tätigkeit. Die
Gesellen können mit ihrem sehr geringen Lohn, den sie für 12-16 Stunden Arbeit pro Tag bekommen kaum überleben. So gründen sie Bruderschaften, um eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen zu erreichen. Es werden Mitgliederbeiträge bezahlt, mit denen kranke Gesellen und Lehrlinge unterstützt werden sowie für die Einrichtung von Gesellenherbergen gesorgt wird. Dort kann man kostenlos mit Essen und Trinken versorgt werden. Wenn ein Meister nicht mit sich verhandeln ließ, kam es zu Arbeitskämpfen und Streiks. Diese Bruderschafter sind die Vorläufer unserer heutigen Gewerkschaften.

Die Kaufmannsgilden gleichen im Prinzip organisatorisch und funktionsmäßig den Zünften. Ihre Entstehung ist eine unmittelbare Folge sowohl des stetig steigenden Handelsvolumens, als auch des Wachstums der städtischen Gemeinschaften. Die Kaufleute reisen zunehmend von Markt zu Markt und in fremde Länder. Um sich auf ihren Reisen gegenseitig zu schützen und unterstützen, schließen sich Kaufleute aus derselben Stadt zusammen. Es gibt pro Stadt nur eine Gilde. Im germanischen Sprachraum bezeichnet man diesen Zusammenschluß auch als "Hanse". Nach und nach erwerben sie verschiedene Handelsrechte und -privilegien. Die Produkte reichen von den gewöhnlichen Nahrungsmitteln bis zu Edelsteinen, Stoffen und Gewürzen. Mit der Zeit erlangen auch die Kaufmannsgilden Monopolstellungen im Handel und Gewerbe ihrer Stadt. Einige Gilden nehmen auch Kaufleute anderer Städte auf und erwerben dadurch auch in jenen Städten das Handelsmonopol.

Seit dem 12. Jh. erlebt der Handel durch den Bau von neuen Schiffstypen einen mächtigen Aufschwung im Nord- und Ostseeraum. Diese "Koggen" sind wesentlich schneller, seetüchtiger und größer als die Schiffe zuvor. Mit ihnen können die Waren wesentlich schneller und billiger geliefert werden und es können größere Gewinne erzielt werden. Eine moderne Handelsorganisation entsteht. An den wichtigsten Handelsplätzen Nord- und Osteuropas werden feste Niederlassungen, "Kontore", beispielsweise in London, im russischen Nowgorod und Bergen in Norwegen gegründet. Der reiche Gewinn wird in den Heimatstädten angelegt, die im allgemeinen sehr wohlhabend sind.
In der Mitte des 14. Jh. entwickelt sich aus den einzelnen Kaufmannsbünden der "Städtebund der deutschen Hanse". Die Entstehung von Städtebünden ist auch kennzeichnend für die Entwicklung des städtischen Selbstbewußtseins. Lübeck war die führende Stadt in der Hanse und Drehscheibe des Handels. In ihrer Blütezeit gehören fast 200 Städte der deutschen Hanse an. Durch den Fernhandel und ein spezialisiertes Handwerk haben die Städte ihre jeweiligen Landesherrn mittlerweile wirtschaftlich überrundet.
Die wichtigsten und aktivsten Hansestädte in Westfalen sind Dortmund, Soest und Münster. Neben solchen Städten, die zu den Hansetagen geladen werden, gibt es zahlreiche "Beistädte", die zwar an den Handelsprivilegien teilhaben, aber innerhalb der Hanse nicht mitsprechen können. Dazu gehören Werl und Werne. Hamm und Unna steigen von Dortmunder Beistädten zu "Prinzipalstädten" auf, die ihrerseits nun alle anderen Städte der Grafschaft Mark als Beistädte beanspruchen. Zu dem Zeitpunkt ist der Höhepunkt der Hanse allerdings längst überschritten. Regionale europäische Interessenskonflikte führen im 16. Jh. zum Zusammenbruch dieser Organisation.

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