Die Geschichte unserer Region - Teil 4

Die Grafen von Werl

Im 10. Jh. treten mehrere Grafen auf, die aufgrund ihrer Namen und Grafschaften für Ahnen der Werler gehalten werden. Welche verwandtschaftlichen Beziehungen zwischen ihnen bestehen, kann nur vermutet werden. Ungeklärt ist dabei auch, inwieweit die Werler mit den Billungern versippt sind, die das Herzogtum Sachsen als Statthalter des Herzogs und gleichzeitig deutschen Königs verwalten. Hierfür sprechen die gleichen Leitnamen Hermann und Bernhard sowie der Umstand, daß im Jahr 1001 der Billunger Graf Liudger, eine Grafschaft in Westfalen hat. Auch sein Bruder übt Grafenrechte aus, die sich mit denen der späteren Werler Dynastie überschneiden. Bei der dünnen Quellenlage kann nicht geklärt werden, ab wann welches Mitglied der Sippe über welchen Einfluss verfügt.

Insgesamt haben die Grafen von Werl ein beeindruckendes Herrschaftsgebiet. Ihre Grafschaften reichen vom Rothaargebirge im Süden bis an Ostfriesland heran. Sie besitzen zeitweise die Hochvogtei im Bistum Paderborn, vielleicht auch in den Bistümern Münster und Osnabrück. Weitere Vogteirechte bestehen bezüglich der Reichsabtei Werden und des Reichsstifts Essen und der Damenstifte Meschede, Liesborn, Freckenhorst und Oedingen. In Sachsen steht den Werlern später das Recht des Vorstreits, also die zu Kriegszeiten herzogähnliche Stellung zu, ein westfälisches Kriegsheer anzuführen. Die Grafen von Werl sind um das Jahr 1000 das einflussreichste Grafengeschlecht in Westfalen und im norddeutschen Raum. Sie leben auf dem Gebiet der heutigen Werler Altstadt.

Allgemein gilt ein 913 vorkommender Graf Hermann als erster Werler des 10. Jh.. In diesem Jahr bestätigt König Konrad I. auf dessen Bitte dem Stift Meschede seine Rechte. Offenbar interveniert Graf Hermann als Vogt des Stifts. Es ist möglich, daß derselbe Graf Hermann schon 889 mit Grafenrechten im Osnabrücker Raum sowie als Vogt der Reichsabtei Werden vorkommt. Er wird auch als Erbauer der Burg Werl vermutet. Wahrscheinlich verlegen diese Grafen wegen der Bedeutung des Hofes, aber auch wegen der Fruchtbarkeit der Gegend ihren Sitz nach Werl. Die bisherige Geschichtsforschung nimmt an, daß ein Urahn der Werler auch ein 850 und 860 bezeugter Graf Hermann ist, dessen Geschlecht ursprünglich aus Meschede stammt und dort die Hünenburg bewohnt, die als fränkische Sicherung der von Soest nach Hessen führenden Straße angelegt war. Dieses Hermanns Gattin ist eine Erbtochter der Cobbonen, die ihrerseits von dem sächsischen Herzog Ekbert und seiner Frau, Ida von Herzfeld, abstammen.

Der erste sicher bezeugte und einer der bedeutendsten Träger des Namens ist Hermann I.. Auf dem Höhepunkt seines Einflusses beherrscht er ein Gebiet, zu dem ganz Südwestfalen, der Süden des Münsterlandes sowie der nördliche Teil des Bistums Paderborn gehören. Für die bedeutende Stellung Hermanns I. spricht seine Heirat mit Gerberga von Burgund, einer Tochter des Königs Konrad III. von Burgund im Jahr 980. Durch diese Heirat muss Graf Hermann in den Stand des Großadels aufgestiegen sein, denn um für eine Prinzessin akzeptabel zu sein, muß er selbst vornehmster Herkunft sein. Kinder des Paares sind Hermann II., Rudolf (auch Ludolf genannt) und Bernhard von Werl. Alle drei Söhne haben nach Übernahme der Erbschaft den Grafentitel erworben. Nach dem Tod Hermanns I. heiratet seine Witwe Gerberga Hermann von Schwaben. Aus dieser Ehe stammt unter anderem Gisela von Schwaben, spätere Gemahlin Kaiser Konrads II.. Damit bestehen auch verwandtschaftliche Beziehungen der Grafen zum salischen Königshaus.
Nachfolger von Hermann I. als Erbe der Grafschaft ist 988 Hermann II.. Er erbt Südwestfalen. Seine Brüder Rudolf (Ludolf) und Bernhard I. erben Teile des väterlichen Besitzes im Nordosten und Westen. Bernhard I. begründet dort die Seitenlinie der Grafen von Hövel.

Nach dem Tod des letzten Liudolfingerkaisers Heinrich II. 1024 kommt es in Werl zu einer Versammlung aller sächsischer Grafen, um die Wahl des Saliers Konrad I. zum Kaiser vorzubereiten. In den Folgejahren nimmt Hermann II. mit seinen Söhnen an mehreren sächsischen Adelsversammlungen teil. Dabei wird er nach dem Herzog meist an zweiter Stelle genannt. Graf Hermann II. ist auch einer der Vögte der Abtei Werden. Nachdem sich der dortige Abt Hettharnich über Eingriffe Hermanns beim Kaiser beschwert, werden dem Grafen unter anderem die Höfe bei Arnsberg und weitere Besitzungen als Lehen übergeben, um den Streit zu schlichten. Im Anschluß an den Umzug Hermanns II. auf das größere Anwesen in Arnsberg nennt er sich Graf von Arnsberg.
Bereits vor diesem Übergang haben die Grafen einen beträchtlichen Teil ihres ehemaligen Einflusses eingebüßt. Das Territorium schrumpft allmählich, immer stärker bedrängt von den Grafen von der Mark und den Bischöfen von Köln.
Der letzte Arnsberger Graf, Gottfried IV., verkauft die Grafschaft schließlich im Jahr 1369 an den bischöflichen Kurfürsten in Köln. Sie wird so zum territorialen Kern des sogenannten "Herzogtums Westfalen", einem kirchlichen Nebenland des seinerzeitigen Kurfürstbistums am Rhein.

 

Die Grafen von Hövel

Die Grafen von Hövel sind ein Adelsgeschlecht, dessen Herrschaft seit dem Jahr 1003, in dem die Burg Hövel am Nordrand der Lippeauen errichtet wird, einen bedeutenden Einfluß auf die gesamte Region ausübt. Zu Zeiten ihrer größten Ausdehnung erstreckt sich die Grafschaft Hövel über die gesamte südlich von Münster gelegene Region. Sie wird im Westen von der freien Reichsstadt Dortmund begrenzt und im Nordwesten erstreckt sich die Grafschaft bis nach Westerwinkel (heute Herbern) und Stockum (heute Werne). Im Norden grenzt sie an das Herrschaftsgebiet Münsters, bis Telgte und Freckenhorst und im Osten reicht die Grafschaft bis an die Besitzungen Paderborns heran. Im Süden geht sie bis zur Ruhr. Werl und die Soester Börde gehören ebenfalls zum Einflussbereich.

Das Grafengeschlecht geht unmittelbar aus den Grafen von Werl hervor. Sein Stammvater ist Graf Bernhard I. von Werl, Sohn des Grafen Hermann I.. Der um 983 geborene Bernhard von Werl erhält als Erbteil ganz Mittelwestfalen. Hierzu gehören eine ganze Reihe von Gütern. Er wird schon in jungen Jahren Erbvogt über das Reichsstift Essen. Um das Jahr 1003 zieht Bernhard in seine Grafschaft um, um eine bessere Aufsicht zu haben. Er findet die günstigste Stelle an der großen Heerstraße, die vom Hellweg zur Ostsee verläuft, und zwar "kurz hinter der Lippefurt in einer Senke des nördlichen Hügels". Von hier aus kann er den gesamten Haarstrang übersehen. Er erbaut sich hier eine Burg und nennt sich des Hügels wegen Graf "Bernhardus de Huvili".

In den Jahren von 1015 bis 1025 muß Graf Bernhard von Hövel geheiratet haben. Etwa im Jahr 1020/25 gebärt seine Ehefrau ihm eine Tochter. Wegen des zu der damaligen Zeit herrschenden „Ida-Kultes“ nennt er seine Tochter Ida. Wie jeder Herrscher es zu dieser Zeit tut, erbaut er zur Feier des freudigen Ereignisses der Geburt auf dem Hügel eine Eigenkirche, der er den Namen Sankt Pankratius gibt. Der Heilige Pankratius wird hochverehrt und gehört zu den vierzehn Nothelfern. Eine Eigenkirche untersteht nicht dem Bischof. Für die Unterhaltung der Kirche und des Priesters muß Bernhard selbst aufkommen. Nach der damaligen Bauweise muß es ein kleines, aus Holz gezimmertes Kirchlein gewesen sein.
Graf Bernhard von Hövel hält sich fast nur im Gefolge des Kaisers und des Kölner Erzbischofs Heribert auf. Auch beim Bischof Meinwerk von Paderborn ist er des Öfteren anzutreffen. Er schenkt dem Abt des neugegründeten Klosters bei Deutz einen Hof mit mehreren Grundstücken bei Altena. Gleichzeitig ist urkundlich vermerkt, daß er verschiedene Oberhöfe in Bauernschaften bei Beckum und Werl käuflich erwirbt. Bald nach der Stiftung der Eigenkirche Sankt Pankratius in Hövel stiftet er erneut eine Eigenkirche in Herringen (auf der anderen Seite der Lippe). Dies muß um die Jahre 1032/35 gewesen sein. Er bittet den Abt des Klosters Deutz, diese Kirche einzuweihen, der dieser Bitte gerne nachkommt.

Durch seine Tochter Ida geht Bernhard von Hövels Besitz an andere Familien über. Etwa in den Jahren 1050/55 muß Ida den süddeutschen Edelherren Heinrich von Lauffen geheiratet haben. Die beträchtliche Entfernung von der Burg Hövel bis zum Neckar zeigt, wie weit die Grafen mit ihren Familien herumgereist sind. Kurz nach der Geburt einer Tochter mit Namen Adelheid ist Heinrich von Lauffen verstorben. Zur Geburt der Adelheid von Lauffen ist vermerkt, daß für ihren Großvater, den Grafen Bernhard, das freudige Ereignis erneut Anlaß ist, auf seinem Grund und Boden in Bockum (Hövels Nachbarort) ein Holzkirchlein zu errichten. Er weiht diesmal die Kirche dem Heiligen Sankt Stephanus, der zu den ersten gemarterten Christen gehört.
Adelheid von Lauffen, heiratet um das Jahr 1070 den Edelherrn Adolf von Berg, der nun den Namen Berg-Hövel annimmt. Durch diese Heirat geht diese Adelslinie der ehemaligen Grafen von Werl in der Linie der Grafen von Berg auf. Ihr Erbe der Grafschaft Hövel kann Adelheid von Berg erst erhalten, als der letzte männliche Abkomme aus dem Geschlecht der Werler Grafen wenige Jahre später kinderlos verstirbt. Adolf von Berg-Hövel wird in den Adelsstand erhoben und geht 1093 als Graf Adolf I. von Berg in die Geschichte ein.
Das Territorium der "Grafschaft Hövel" wechselt zwar den Eigentümer, bleibt aber in seiner Gesamtstruktur, bestehend aus den Comitaten Warendorf, Ahlen und Unna, als Teil der Grafschaft Berg erhalten.

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